Mutismus Selbsthilfe Deutschland e.V.
Manche Kinder sprechen zu Hause ohne Pause, doch im Kindergarten oder in der Schule verstummen sie. So wie Lotta. Ihre Geschichte zeigt, wie selektiver Mutismus das Leben von Kindern und Familien prägt und warum Hilfe so wichtig ist.
Lotta ist 4 Jahre alt und besucht seit einem halben Jahr den Kindergarten. Auf dem Fahrrad, sicher im roten Kindersitz hinter ihrer Mama Kerstin, sprudelt sie nur so vor Freude. Mit dem Wind in ihren langen blonden Haaren singt sie laut ihre Kindergartenlieder, kichert und erzählt zu Hause jedes noch so kleine Detail ihres Tages. Lotta liebt es, wenn alle zuhören. Wird sie unterbrochen, kann sie richtig wütend werden.
Doch im Kindergarten zeigt sich eine andere Lotta. Ihre Erzieherin, Frau Werner, ruft bei Mama Kerstin an: „Ihre Tochter spricht hier nicht. Sie flüstert nur manchmal mit ihrer Freundin Emilia. Wenn sie uns etwas mitteilen will, schickt sie Emilia vor.“
Mama Kerstin ist fassungslos. Zu Hause ein fröhliches, lebendiges Mädchen und im Kindergarten still wie ein Schatten. Auf Nachfrage sagt Lotta nur: „Ich weiß doch nicht, Mama …“
Die Beobachtungen machen deutlich: Lotta lebt in zwei Welten. Zu Hause redet sie ohne Ende, draußen verschließt sie sich. Für viele Eltern und Angehörige ist dieses Bild erschreckend vertraut. Denn Lottas Verhalten zeigt Anzeichen für selektiven Mutismus, eine Angststörung, bei der Kinder in vertrauter Umgebung ganz selbstverständlich sprechen, in anderen Situationen jedoch wie „verstummen“.
Viele Familien fühlen sich mit dieser Situation allein gelassen. Sie fragen sich: „Mache ich etwas falsch? Wächst sich das aus? Soll ich mein Kind drängen?“. Die Unsicherheit ist groß, und gleichzeitig spüren Eltern, wie sehr ihr Kind leidet.
Selektiver Mutismus ist keine Trotzphase und keine einfache Schüchternheit. Er ist eine ernstzunehmende, aber behandelbare Herausforderung. Je früher er erkannt und verstanden wird, desto größer sind die Chancen, dass Kinder wie Lotta ihren Weg in die Welt voller Vertrauen und Sprache finden.
Bei der Mutismus Selbsthilfe Deutschland e.V. möchten wir Eltern, Angehörigen und Fachkräften aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz Mut machen. Wir bieten Aufklärung, Erfahrungsaustausch und Unterstützung. Denn kein Kind sollte in seiner stillen Welt gefangen bleiben und keine Familie sollte sich damit allein fühlen.
Der selektive Mutismus beginnt in der Regel sehr früh – im Alter zwischen zwei und fünf Jahren und gilt deshalb als Störung des Kindes- und Jugendalters. Die Symptome werden oft beim Kindergartenstart offensichtlich.
Bekommt ein Kind keine therapeutische Hilfe, kann der selektive Mutismus auch bei Jugendlichen und Erwachsenen weiter bestehen. Während aber junge Kinder, die nicht sprechen, in der Regel als sehr schüchtern eingeschätzt werden und noch viel Verständnis bekommen, wird älteren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen vorgeworfen, sie schwiegen absichtlich.
Kinder mit selektivem Mutismus brauchen Verständnis, Geduld und gezielte Unterstützung. Viele Eltern stehen zunächst ratlos da, genau hier setzt unser Verein an.
Mutismus Selbsthilfe Deutschland e.V. ist die bundesweite Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit selektivem Mutismus, ihre Familien sowie Fachkräfte aus Pädagogik, Medizin und Therapie. Unser Ziel ist es, Mutismus sichtbar zu machen, Hilfe zugänglich zu machen und Betroffene zu stärken.
Betroffene und Angehörige erzählen ihre Geschichte. Sie berichten aus ihrem Leben, wie sie ihr Schweigen überwinden konnten, welche Erfahrungen sie gemacht haben oder über ihren Weg, den sie gerade bestreiten.
Möchtest auch du mit deiner Geschichte Anderen Mut machen? Dann schreib uns, wir freuen uns über deine Post.