Seit Jahren erleben wir, wie belastend Arztbesuche für Betroffene sein können, während Ärztinnen und Ärzte oft Unsicherheit im Umgang mit diesem Störungsbild beschreiben. Aus diesem Grund entstand die Idee für einen praxisnahen Leitfaden.
In enger Zusammenarbeit mit der Autorin Pia Zucht und der Universität Erfurt sowie Expert*innen aus Pädiatrie, Allgemein- und Zahnmedizin, wurden Bedarfsanalysen durchgeführt. Diese wertvollen Perspektiven von Betroffenen, Angehörigen und Therapeut*innen konnten wir so in den Leitfaden für Ärzte einfließen lassen.
Unser Ziel ist es, mit der Broschüre Ärztinnen und Ärzten hilfreiche Werkzeuge an die Hand zu geben, um die durch selektiven Mutismus entstehenden Barrieren zu überwinden. Der Leitfaden bietet sowohl den theoretischen Hintergrund als auch praktische Tipps und Anregungen, um den Umgang mit Betroffenen in Ihrer Praxis zu erleichtern.
Ein besonderer Dank gilt den Betroffenen und ihren Familien, deren Offenheit und Erfahrungen maßgeblich zur Erstellung dieses Leitfadens beigetragen haben.
Auf dieser Website finden Sie einige Inhalte aus der Broschüre. Sie können den Leitfaden sowohl digital als pdf-Datei downloaden als auch die Print-Variante bestellen.
Über eine kleine Spende, die wir für den Versand und Nachdruck der Broschüre nutzen, würden wir uns sehr freuen.
Bei selektivem Mutismus besteht eine ausgeprägte Körpersymptomatik aufgrund eines erhöhten Stresspegels. Die Intensität der Reaktion ist individuell verschieden. Häufig zu beobachten sind bei Ansprache durch bindungsferne Personen in unterschiedlichem Ausprägungsgrad:
(Katz-Bernstein, 2019)
Nur sehr selten tritt selektiver Mutismus isoliert auf, fast immer bestehen Komorbiditäten. Zu beachten ist, was das klinische Bild dominiert. Nach Florineth-Baatsch et al. (2024) sind häufig Enuresis, Enkopresis, Schlafstörungen, soziale Ängstlichkeit, Essstörungen, depressive Symptome und Regulationsstörungen der Verhaltenskontrolle zu beobachten.
Folgende Störungen sind vom selektiven Mutismus abzugrenzen, können jedoch komorbid auftreten:
(Florineth-Baatsch et al., 2024)
Die aktuelle Forschung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen selektivem Mutismus und erhöhter sensorischer Reizbarkeit. Bei Personen mit Mutismus ist die Amygdala inadäquat hoch aktiviert, daher ist es günstig, eine etwas ruhigere Atmosphäre zu schaffen, um einer Überstimulation vorzubeugen.
Praktische Tipps dazu finden Sie in der Broschüre unter den Punkten „Zeit nehmen“ und „Positive Haltung“ (Kapitel „Umgang in der Arztpraxis“) auf S. 22 und 23.
Hintergrund: Selektiver Mutismus stellt Betroffene, Angehörige und das Umfeld regelmäßig vor große Herausforderungen. Notwendige Termine, wie Arztbesuche, können erheblichen Stress verursachen. Oft sind die Kinder bereits Wochen vor dem Termin ängstlich und besorgt, und auch die Angehörigen empfinden häufig Anspannung in Bezug auf den Arztbesuch. Um gezielt helfen und ansetzen zu können, wurden problemzentrierte Interviews mit Eltern von Kindern mit selektivem Mutismus durchgeführt, und die gewonnenen Erfahrungen wurden dokumentiert. Diese Aussagen stammen aus der Bachelorarbeit der Studierenden Frau Gleißert.
Im Folgenden präsentieren wir Ihnen einige dieser Aussagen, die zur Entwicklung des Leitfadens: “Selektiver Mutismus in der Arztpraxis” beigetragen haben.
Selektiver Mutismus kann durch Fachpersonen aus der Pädiatrie, Allgemeinmedizin, Psychologie, Psychiatrie und von Heilpraktiker*innen für Psychotherapie diagnostiziert werden.
Therapeut*innen dürfen die Diagnose nicht stellen, es sei denn, sie verfügen über eine psychologische Ausbildung mit entsprechender Heilerlaubnis.
Es besteht die Möglichkeit, zur Sicherung der Diagnose, Therapeut*innen zurate zu ziehen, die auf selektiven Mutismus spezialisiert sind. So können Sie etwa 3 Stunden zur Abklärung verordnen und um einen ausführlichen Bericht bitten. Es ist für den Therapiebeginn nicht nötig, dass eine psychiatrische Diagnostik durchgeführt oder das Kind im Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) befundet wurde.
Um die Diagnose zu stellen, müssen alle Kriterien laut DSM-5 oder ICD-10 erfüllt sein. Bedenken Sie dabei bitte, dass der Ausprägungsgrad individuell verschieden sein kann. Wenn ein Kind NUR in der Arztpraxis konsequent schweigt, in anderen Situationen aber uneingeschränkt kommuniziert, ist der Leidensdruck entscheidend. Sollte dieser bestehen, ist Therapie indiziert.
SP 1 oder RE 1
ICD‑10: F94.0
ICD‑11: 6B06
weitere mögliche Diagnosen für Sprachtherapie:
ICD‑10: F80.0 / 1/ 8 / 9
ICD‑11: 6A01
Empfohlen wird ein interdisziplinäres Vorgehen. Qualifizierte Mutismustherapie bei speziell dafür ausgebildeten therapeutischen Berufsgruppen mit entsprechender Weiterbildung ist indiziert. Sie finden in der Broschüre unter „Informationen und Links“ (S. 32) aktuelle Therapeut*innen-Verzeichnisse. Ausgehend von der Listung der qualifizierten Fachkräfte (N=600) in Deutschland ist die prozentuale Verteilung der Fachdisziplinen wie folgt:
Logopädie/Sprachtherapie 88,7%
Heilpädagogik 4,9%
Psychotherapie 4,6%
Musik-, Kunst- und Ergotherapie 1,8%
(Bahrfeck & Kramer 2024)
Die mutismusspezifische Behandlung dient der Prävention von Folgeproblematiken. Je eher die Störung erkannt und eine Therapie begonnen wird, umso effizienter wirkt diese (Schwartz et al., 2006; Subellok & Katz-Bernstein, 2010 & 2012). Studien belegen, dass erhebliche Beeinträchtigungen besonders hinsichtlich der sozio-emotionalen Entwicklung sowie der psychischen Gesundheit erwartbar sind, wenn der selektive Mutismus nicht behandelt wird und über das 10. Lebensjahr hinaus bestehen bleibt.
(Kolvin & Fundudis, 1981; Remschmidt et al., 2001; Steinhausen et al., 2006; Chavira & Shipon-Blum, 2007)
„Neuere Studien weisen auf die Therapierbarkeit des selektiven Mutismus [...]. In einer Metaanalyse von Studien zum Langzeitverlauf [...] zeigen 74 % der Behandelten eine komplette Remission oder aber massive Verbesserung der Symptomatik.“
Die Dauer der Störung und das Alter der Betroffenen beeinflussen den Therapieerfolg.
(Melfsen & Walitza, 2017)
Unsere Broschüre „Selektiver Mutismus in der Arztpraxis – Ein Leitfaden“ enthält ein Flussdiagramm, das Ihnen hilft, den Diagnoseprozess Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Dieses visuelle Tool unterstützt Ärztinnen und Ärzte dabei, Anzeichen von selektivem Mutismus frühzeitig zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Unser Flussdiagramm zeigt die wichtigsten Etappen auf dem Weg zur Diagnose und Behandlung von selektivem Mutismus:
Unser Flussdiagramm bietet Ihnen eine einfache, visuelle Orientierungshilfe, die den gesamten Diagnoseprozess abbildet. Es vereinfacht komplexe Abläufe und hilft Ihnen, in jeder Phase die richtigen Schritte zu unternehmen.
Nutzen Sie das Flussdiagramm für eine strukturierte und klare Vorgehensweise in Ihrer Praxis!
Der Umgang mit Kindern, die von selektivem Mutismus betroffen sind, erfordert einfühlsames Handeln und die richtige Kommunikation. Der Leitfaden für Ärzte gibt Ihnen praxisnahe Tipps, die Ihnen helfen, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, z.B. zu folgenden Themen:
Haltung, Druck, Sicherheit, Zeit, Orientierung, Blickkontakt, Sprachstand erheben und weitere.
Um die Kommunikation mit betroffenen Kindern zu erleichtern, bieten wir Ihnen nützliche Hilfsmittel, die Sie kostenlos herunterladen können:
Weitere Hilfsmittel zur Förderung der Kommunikation finden Sie in der Broschüre auf Seite 26. Laden Sie diese herunter, um Ihre Praxis gezielt zu unterstützen!
Unsere praxisnahe Broschüre bietet Ärztinnen und Ärzten hilfreiche Werkzeuge, um den Umgang mit Patient*innen, die unter Selektivem Mutismus leiden, zu erleichtern. Sie enthält wertvolle Tipps, theoretische Grundlagen sowie praxisorientierte Empfehlungen, die Ihnen dabei helfen, Barrieren im Arzt-Patienten-Gespräch zu überwinden.
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