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Fachzeitschrift

Trauer um Prof. Dr. Manfred Grohnfeldt

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Prof. Dr. em. Manfred Grohnfeldt -
Ein Pionier der Sprachheilpädagogik und Mutismusforschung

Am 10. Dezember 2023 verstarb Prof. Dr. em. Manfred Grohnfeldt. Sein Tod kurz vor seinem 75. Geburtstag kam für Außenstehende überraschend, für ihm Nahestehende aufgrund von Vorerkrankungen nicht. Mit Manfred Grohnfeldt verliert die Sprachheilpädagogik nicht nur einen ihrer wichtigsten Chronisten und Weggestalter der letzten 5 Jahrzehnte, sondern mit seinen zahlreichen Publikationen und Herausgeberreihen den wichtigsten Impulsgeber unseres Fachs.

In seinem Handbuch der Sprachtherapie (8 Bände), Lehrbuch der Sprachheilpädagogik und Logopädie (5 Bände), Kompendium der akademischen Sprachtherapie und Logopädie (4 Bände), dem Lexikon der Sprachtherapie oder den Grundlagen der Sprachtherapie und Logopädie, um nur einige seiner Veröffentlichungen zu nennen, verstand er es, Fachleute aus verschiedenen Disziplinen um sich zu scharen, um auf dem neuesten Stand der Forschung schulische und außerschulische Themen der Sprachheilpädagogik und akademischen Sprachtherapie/Logopädie wissenschaftlich einzuordnen und weiterzuentwickeln.

Dabei ist Manfred Grohnfeldt retrospektiv nicht mit einem speziellen Störungsbild zu assoziieren. Er war ein Wissenschaftsmanager mit Weitblick. Zwei Aspekte sind hier besonders hervorzuheben. Zum einen setzte er das Gewicht seiner Professuren und Lehrstühle an der Hochschule Reutlingen (1977-1987), an der Universität zu Köln (1987-2000) und an der Ludwig-Maximilians-Universität (2000-2014) für wegweisende Erneuerungen ein, so z.B. 2004 für die Einrichtung des ersten BA/MA-Studiengangs Sprachtherapie mit Kassenvollzulassung in Deutschland. Zum anderen erkannte er – früher als viele seiner Kolleginnen und Kollegen – die Chance, in der wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung mit dem Mutismus das angstbedingte Schweigen der Sprachheilpädagogik bzw. späteren akademischen Sprachtherapie zuzuführen.

Mit Band 1 „Mutismus – Zur Theorie und Kasuistik des totalen und elektiven Mutismus“ (Edition Marhold), der ersten diesbezüglichen Monografie im deutschsprachigen Raum, eröffnete er 1991 als Herausgeber die Schriften zur Sprachheilpädagogik und gab damit den Startschuss für eine Publikationsdynamik mutismusspezifischer Fachartikel und Bücher, die es vorher in dieser Form weder in Deutschland noch im europäischen Ausland gab.

Die heute vorliegenden Therapiekonzeptionen SYMUT, DortMut und KoMut wären ohne diesen Anstoß undenkbar. Manfred Grohnfeldt kann somit als Initiator dieser Entwicklung bezeichnet werden. 17 Jahre später übernahm er im „Heilmittel-Report 2008“, herausgegeben von Prof. Harald Bode, Universitätsklinikum und Poliklinik Ulm, Helmut Schröder und Andrea Waltersbacher, beide Wissenschaftliches Institut der AOK in Bonn, das Kapitel Sprachtherapie/Logopädie und nahm eine Zuordnung des Mutismus zu den Indikationen SP1 und RE vor. Durch die Aufnahme des Schweigens in den Heilmittel-Report 2008 war es ab sofort möglich, den Mutismus als isolierte Diagnose auf den Heilmittelverordnungen für Sprachtherapie unterzubringen. Was für eine Vereinfachung für alle therapeutisch Tätigen in den sprachtherapeutischen und logopädischen Einrichtungen! Manfred Grohnfeldt veredelte damit seine jahrelange Unterstützung für unser gemeinsames Thema Mutismus.

Die Mutismus Selbsthilfe Deutschland e.V. sagt: „unser Dank kommt von Herzen“ und nimmt Abschied von einem großen Seelenverwandten.

Für mich, der ich Prof. Dr. Manfred Grohnfeldt als junger Student 1987 in Köln kennenlernte und der sowohl mein Diplom- als auch Doktorvater war, wurde mit der Zeit aus einem Hochschullehrer und Prüfer ein Freund und wertvoller Gesprächspartner. Er hätte noch ein paar Jahre verdient gehabt. Sein Verlust wiegt schwer. Adieu Manfred!

Dr. Boris Hartmann

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